„I love you“
„Love not lightly“
Das verbindende Element ist Kaffee. Der Motor. Ohne Kaffee geht bei Patti
Smith nichts. Sie kommt nicht ins Nachdenken, nicht ins Schreiben. Ihre Welt, wie sie sie in „M Train“ festhält, wird durch die Verbindung von gemahlenen Bohnen und heißem Wasser offenbar.
Was wir sehen – und was sie vorher durch ihre Brille gesehen hat - , ist eigentlich immer durch einen Becher Kaffee gesehen. (Mehr wunderbare Kaffee-inspirierte Geschichten von Patti Smith gibt es übrigens hier.)
Ein Tag im New Yorker Leben von Patti Smith startet im Café' Ino, ihrem Lieblingscafé um die Ecke ihrer Wohnung. Dort sitzt sie immer am selben Tisch, immer mit schwarzem Kaffee, meistens mehrere Tassen. Und überlegt. Und schreibt.
Selbst eine Menge ihrer anderen Reisen, um die es in „M Train“ geht, sind durch Kaffee motiviert. Mal ist sie auf der Suche nach dem Ursprung des Kaffees, mal bringt ihr Kaffee einen neuen Ort nahe.
Sie ist fasziniert von Murakami (naja, wer ist das nicht?). Liest in ihrem Café – bei Kaffee natürlich – „Dance Dance Dance“ („Tanz mit dem Schafsmann“), „Kafka on the Shore“ („Kafka am Strand“), „Sheep Case“ („Wilde Schafsjagd“) und „The Wind-up Bird Chronicle“ („Mister Aufziehvogel“), das sie nicht mehr loslässt und das sie mehrmals hintereinander liest. Warum? „The fate of a certain property“ und wie Murakami es beschreibt, gibt Smith an. Weil sie selbst auf der Suche ist. Später wird sie die Ausgabe von „The Wind-up Bird Chronicle“ verlieren – zu dem Zeitpunkt, an dem sie etwas anderes findet: a certain property of her own. Ihr Stück Eigentum, ein Haus an der Küste.
"M Train" ist ein autobiografisches Buch, aber es erzählt keine lineare Biografie chronologisch nach. Und das macht es so schwer, mit diesem Buch auszukommen. Mir machte es das sehr schwer, ich habe mehrmals unterbrochen und es letztendlich im letzten Jahr, obwohl ich mich so auf es gefreut hatte, nicht zu Ende gelesen. „Just Kids“ war eine Offenbarung gewesen, und ich konnte mich kaum gedulden, bis „M Train“ erschien. Aber hier ist alles anders. Während „Just Kids“ von der wunderbar schmerzhaften Beziehung Smiths zu Robert Mapplethorpe erzählte, von den harten Zeiten in den 60ern und 70ern in New York, von einem Kunstbetrieb, in dem nichts romantisch war, vor allem nicht für Frauen – während „Just Kids“ also von ganzen Welten sprach und so viel zumindest in meiner Sicht auf New Yorker Kunst damals im Dunstkreis von Andy Warhol im speziellen und Frauen und Kunstbetrieb im allgemeinen erhellte, bleibt „M Train“ so kaffeebraun getüncht, mal mit mehr, mal mit weniger Geschmack und Farbe.
Smith springt. Und klar, es ist schon interessant, was sie über Frida Kahlo denkt, über Virginia Woolf, Friedrich von Schiller, Hermann Hesse, Genet, Religion, Sylvia Plath, ... Aber das wirkt alles wie Ausschnitte aus Tagebüchern, neu reflektiert und ein wenig glatt gebügelt, garniert mit Fotografien, die sie dazu gemacht hat. Es wirkt irgendwie nicht so real und gefährlich wie alles, was sich in „Just Kids“ offenbarte. Vielleicht kann es das auch nicht, denn dies sind alles Ausschnitte aus Lebensphasen von Patti Smith, in denen sie keine finanzielle Not mehr leidet, von niemandem abhängig ist, nichts muss, alles nur kann, so wie sie es möchte und wann.
Und damit transportiert „M Train“ dann doch dieses Klischee von der Romantik des Kunst-Machens, das so viele Kritiker in „Just Kids“ gesehen haben und bei dem es genau darum überhaupt nicht ging. Müßiggang, Konzentration, künstlerische Arbeit muss man sich erst einmal leisten können. Vielleicht bin ich deswegen so enttäuscht und konnte das Buch nicht fertig lesen. Weil es letztendlich ein Klischee bedient und bestätigt, von dem ich froh war, dass es eigentlich mit „Just Kids“ begraben worden war. Natürlich auch verbunden mit dem Neid, dass jemand Zeit hat für all das. Wann haben wir heute noch wirklich Zeit für Gedanken, fürs Innehalten und zu schauen, ob daraus vielleicht noch etwas anderes erwächst, und wenn es nur eine neue Erkenntnis ist neben den ganzen vielen Informationen, die immer auf uns einprasseln. Oder Kunst erwächst. Ich wünschte, ich könnte ein bisschen mehr so sein wie Patti Smith in dieser Zeit. Und ich wünschte, „M Train“ würde ein bisschen mehr vermitteln, wie das geht und es nicht nur unverschämt machen, dieses In-Cafés-Sitzen-und-Kaffee-trinken-und-schreiben.
Vermutlich mag ich das Buch deshalb nicht. Schade eigentlich.
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