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Die Ehe-Öffnung ist momentan nur für Schwule absolute Gleichstellung

Die Ehe-Öffnung kommt also. Nach 30 Jahren Kampf. Beschlossene Sache in nicht mal einer Woche. Mit nur 38 Minuten Debatte im Bundestag. Am 7.7. wird das Gesetz dann den Bundesrat passieren, und voraussichtlich im Oktober dürfen Frauen- und Männer-Paare dann heiraten. Drei Monate haben die Standesämter Zeit für die verwaltungstechnischen Änderungen.

 

Fraktionszwang?!

 

Erfrischend hat Bundestagspräsident Lammert vor der Debatte am Freitag festgestellt, dass nie Fraktionszwang herrscht, Abgeordnete eigentlich immer nur sich selbst, also ihrem Gewissen verpflichtet sind. Ein wichtiger Punkt, der vorher in der Berichterstattung zu kurz gekommen ist bzw. stets falsch rüberkam. Sogar Eilmeldungen gab es mit "Merkel gibt Ehe für alle für Abstimmung frei". Das war sogar doppelt falsch: Erstens muss der Fraktionszwang nicht erst aufgehoben werden, und zweitens: Seit wann bestimmt das Merkel, also die Partei-Vorsitzende? Das ist doch Sache des Fraktions-Chefs. Thematisiert wurde das nicht.

 

Warum mus man gleich ironisieren, mahnen, moralisieren, absingen?

 

Und so geht es auch fröhlich weiter. Es fehlen Tiefe und Akkuranz bei der Berichterstattung. Bitte nicht falsch verstehen: Auch ich freue mich jetzt natürlich schon, dass es endlich ermöglicht wurde, dass wir heiraten dürfen. Ein längst überfälliger Schritt. Aber: zwei Abers.

Wo Kirche und CDU/CSU nicht auch schon genug gemahnt haben, ergehen sich viele Medien darin, dass die Ehe doch generell out und altmodisch ist - bemerkenswert übrigens, dass sich darin FAS und taz einig sind), und dies jüngst in dem Moment, in dem die Gleichstellung erkämpft ist. Auch hinter der Ironie der linken Tageszeitung kann man da noch genug Häme erkennen: Ha, die Homos werden spießig, die reproduzieren damit alte, patriarchalische Strukturen, die werden noch sehen, was sie davon haben! Äh, warum muss man das jetzt bewerten und sich davon distanzieren? Warum kann es nicht einfach erst einmal um das Erreichen gleicher Rechte gehen und dies auch anerkannt werden? Warum muss man da gleich den moralischen Zeigefinger erheben und schon vor Inkrafttreten für sich beanspruchen, man habe es ja gleich gesagt und gewarnt. Natürlich muss nicht jeder heiraten. Und Gott sei Dank ist das auch immer noch eine freiwillige Entscheidung. Aber die, die es möchten, sollen das verdammt noch mal tun können, Punkt. Egal, in welcher Geschlechter-Konstellation. Und nicht nur durch den Umstand, dass er oder sie das gleiche Geschlecht liebt, eine Zweite-Klasse-Verbindung bekommen. Mit das Beste an der Ehe-Öffnung ist, dass die unsäglichen Wortungetüme "Eingetragene Lebenspartnerschaft" und "Homo-Ehe" endlich verschwinden.

 

Die Stiefkindadoption bleibt erst einmal

 

Aber bei genauer Betrachtung: Eine komplette Gleichstellung ist das nicht. Und das thematisiert wiederum auch niemand.

Wulf Schmiese, Leiter der ZDF-Redaktion "heute journal", sagte Freitagabend in seinem Kommentar: "Es ist gut, dass nun jedes Paar eine echte Ehe führen kann, vor allem aber, dass schwule oder lesbische Paare nun gemeinsam Kinder haben dürfen ohne komplizierte Adoption." Häh? Keine komplizierte Adoption mehr? Also Sonder-Rechte haben Homos gegenüber Heteros in Sachen Adoption nun auch nicht. Und dann ist das nur die halbe Wahrheit. Denn der Gesetzentwurf, dem der Bundestag am Freitag zugestimmt hat, sieht weiterhin die Stiefkindadoption vor. Das heißt, hat ein Partner in einer gleichgeschlechtlichen Ehe ein Kind und ist der biologische Vater/die biologische Mutter damit einverstanden oder unbekannt, dann kann der Partner/die Partnerin das Kind als Co-Elternteil adoptieren. Das ist vor allem für lesbische Paare mit Kinderwunsch entscheidend, denn dies ist auch der Weg, eine Regenbogenfamilie zu gründen, also wenn ein Kind in die Frauen-Beziehung hineingeboren wird. Jedoch gab es in der Vergangenheit immer noch genug Fälle, wo die Co-Elternschaft der Co-Mama die Prüfung durchs Jugendamt nicht bestand, also nicht anerkannt wurde. Und zweitens ist zwar bei Bestehen die Co-Mutter dann rechtlicher zweiter Elternteil, es kann aber auch immer noch zu Problemen bei der Anerkennung dieser bei Behörden etc. kommen.

Hier würde ich mir vom Gesetzgeber wünschen, dass er mit der Ehe-Öffnung im Sinne des Kindeswohls auch Erleichterungen und Verbesserungen für Regenbogenfamilien schafft. Das ist doch Sinn der Ehe. Bis hin zu dem entscheidenden Punkt, dass es eigentlich nicht mehr nötig sein sollte, dass die Co-Mutter erst durch Adoption zweiter Elternteil werden muss, wenn ein Kind in eine Ehe zwischen zwei Frauen hineingeboren wird. Denn eine Regelung kann man mit dem biologischen Vater, so er denn bei der Erziehung eine Rolle spielen soll, immer noch privat treffen und auch auf Papier festhalten. Meistens ist das ja auch der Fall, schon allein, damit das Kind seinen Vater kennt und eine männliche Bezugsperson hat.

In Österreich ist das ziemlich normal und das Verfahren, auch rechtlich eine Familie zu werden, nicht so kompliziert wie in Deutschland. Und das wohlgemerkt ohne Ehe für alle, die am Donnerstag bei den Nachbarn leider abgelehnt wurde. Und: Schwule und lesbische Paare können seit 2016 auch so schon adoptieren, außerdem ist eine medizinische Fortpflanzungsunterstützung für Frauen-Paare mit Kinderwunsch möglich!

 

Das heißt, die absolute Gleichstellung mit der Ehe für alle findet erst einmal nur für Männer-Paare statt. Die können eh nicht gebären, daher ist das Problem mit der Familien-Gründung qua Geburt und Stiefkindadoption des Partners für die Jungs nicht relevant. Gewonnen haben sie aber neben den ganzen finanziellen Kleinigkeiten das Recht auf Adoption "von außen". Das verstehe ich nicht unter Gleichberechtigung. Der Lesben- und Schwulen-Verband auch nicht, daher hat er bereits angekündigt, dafür zu kämpfen, dass in der nächsten Legislaturperiode die neuen Familienformen und die neuen medizin-technischen Zeugungsmöglichkeiten umfassend rechtlich angepasst werden. Ein Positionspapier dazu gibt es hier. Es geht darum, dass jeder Mensch das Recht hat, eine Familie zu gründen. Und es nicht falsche Möglichkeiten und falsche Familienkonstellationen gibt, sondern eben nur falsche bzw. fehlende Rechte. Darüber berichtet aber niemand. Noch nicht mal die Szene-Medien.

 

Abstammungsrecht wird geändert

 

Glaubt man einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" von heute, dann hat Justizminister Heiko Maas (SPD) die Elternschaft von lesbischen Paaren bereits im Visier. Und dass diese der Realität rechtlich angepasst werden muss. Der Arbeitskreis Abstammungsrecht hat bereits im Februar 2015 seine Arbeit aufegenommen. Dass ein Kind wie in den Niederladen in Deutschland drei Elternteile haben kann, wird wohl auch in Zukunft nicht möglich sein, denn Arbeitskreis und Justizminister sind dagegen.

Aber: Den Umweg der Stiefkindadoption müsste eine Co-Mutter "nach dem Votum des Arbeitskreises nicht mehr gehen, weil sie unmittelbar mit der Geburt Mit-Mutter würde. Maas findet dieses Vorschlag gut", schreibt die FAS und zitiert ihn wie folgt: "Die Regelung wäre ein weiterer Schritt in Richtung Gleichstellung homosexueller Partnerschaften in Deutschland". Trete die Ehe für alle in Kraft, so "hält es der Minister für konsequent, wenn in Zukunft neben der Mutter auch deren Ehefrau Mit-Mutter eines Kindes würde, das in diese Ehe hineingeboren würde. Dazu seien allerdings weitere gesetzliche Änderungen notwendig."

 

Hoffen wir auf das Beste, auch wenn dann Maas höchstwahrscheinlich nicht mehr Justizminister sein wird. Und, Frauen, lasst uns weiterhin dafür kämpfen. Die Gleichstellung ist noch immer nich komplett erreicht.