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"Cherchez la femme": Mit Humor gegen Fundamentalismus

Wenn ein Tschador getragen wird und ein junger Mann, dessen Eltern aus Afghanistan nach Frankreich geflohen sind, sich im Jemen radikalisiert - dann darf man darüber keine Witze machen, oder? Religion darf nicht ironisiert werden, und Islamismus ist kein Sujet für Comedy und Satire - das Thema ist zu ernst, als dass man darüber lachen kann. Lachen darf. Oder?

 

Seit zwei Jahren umgehen die "Datteltäter" dieses ungeschriebene Verbot und stellen ihre Videos, in denen sie sich über den Fundamentalismus und Islamisten lustig machen, auf YouTube. Seit Anfang seines Bestehens gehört die Truppe zum ARD/ZDF-Jugendprogramm funk und wird so gefördert.

Auf der republica letztes Jahr erzählten die "Datteltäter", dass es ziemlich schwer war für sie, ihre Satire zu produzieren. Man musste wissen, wie fein die Grenzen verlaufen, so dass es nicht als Gotteslästerung und nicht Verhohnepiepelung des Propheten wahrgenommen wird. Am Anfang stand dennoch viel Anfeindung, vor allem für die Frauen in der Gruppe.

 

In vielen Schattierungen stellt sich die Frage: Darf man das, dient das gar der Aufklärung, schützt das etwa die Kunstfreiheit? Die "Datteltäter" genießen in Deutschland relativ hohen Schutz für das, was sie machen. Anders sah es schon vor Jahren, noch bevor Erdogan sein Land so stark islamisiert hatte wie jetzt, in der Türkei aus. Da fiel vor allem Literatur gerne mal auf, die sich kritisch mit dem eigenen Land und seiner Vergangenheit auseinandersetzt. Wegen des umstrittenen Artikels 301 des türkischen Strafgesetzbuchs - Beleidigung des Türkentums - standen schon viele Schriftsteller vor Gericht. Bekannteste Vertreter: Elif Shafak und Orhan Pamuk. Gegen sie wurde das Verfahren allerdings eingestellt, Erster, der nach dem Artikel verurteilt wurde, war 2005 der armenische Journalist Hrant Dink - zu einer Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung wegen eines Zeitungsartikels.

 

Shafaks Fall ist besonders interessant, weil die Anklage aufgrund der englischen Veröffentlichung ihres Buchs "Der Bastard von Istanbul" erfolgte. Darin geht es unter anderem um den türkischen Genozid an den Armeniern, der bis heute von der türkischen Regierung geleugnet bzw. nicht als Massenmord anerkannt wird. Shafak beschreibt in ihrem Roman aus dieser Tatsache weitere Vergehen, die sich bis in den familiären Bereich aus der Geschichte der Türkei beziehungsweise ihrer Geschichtsvergessenheit bis in die heutige Zeit ergeben. Der "Bastard" im Titel ist dabei doppeldeutig zu verstehen: Es gibt das im Volksmund "Bastard" genannte, uneheliche Kind, das durch eine inzestuöse Vergewaltigung entstand; es ist die Protagonistin selbst, ohne dass sie es weiß. Der "Bastard" steht aber auch symbolisch für die Türkei selbst, wie sie mit den Armeniern umgegangen ist und allem Untürkischen immer noch tut. Und dann gibt es auf einer anderen Erzählebene in der Vergangenheit einen "Bastard", einen armenischen Jungen, der früh von seiner Familie getrennt wird und bei einer türkischen aufwächst, also "türkifiziert" wird - was wiederum auch an ein schwarzes Kapitel der australischen Geschichte erinnert, an die "Stolen Generation", als massenhaft Aborigine-Kinder aus ihren Familien geraubt wurden, damit sie in australischen aufwachsen oder in extra dafür vorgesehenen Heimen. Weil nicht sein darf, was nicht zum jeweiligen Nationalismus, der vorherrschenden Kultur passt. Oder eben zum vorherrschenden Glauben, vor allem, wenn damit Leute kontrolliert werden sollen.

 

Dies aufzuzeigen und damit auch noch zu unterhalten, ist keine leichte Aufgabe und kann auch ganz schön schief gehen. Und jetzt zurück zum Tschador und dem frisch radikalisierten Afghanen in Paris: Sou Abadi ist das mit ihrem Film "Cherchez la femme" total gut gelungen. Eine Komödie über Vollverschleierung und Radikalisierung? Oh ja!

Abadis Referenz war Billy Wilders "Some like it hot" - und dass ein Mann die ganze Zeit in Tschador herumrennt, damit er seine Liebste sehen und schließlich befreien kann, weil deren eben aus dem Jemen zurückgekehrter radikalisierter Bruder sie einsperrt, ist daran vermutlich die großartigste Transformation des Themas Drag im Film. Daran knüpfen sich weitere Irrungen und Wirrungen, die hier nicht benannt sein sollen, um nicht zu viel zu verraten - der Film läuft regulär in Deutschland am 28. Dezember an - , die aber tatsächlich ziemlich unterhaltend und komisch sind. Abadi schafft in kritischen Momenten einen comic relief für ein sonst ja tatsächlich krasses Thema.

 

Moderner Islamismus heute reicht ihr dabei als Thema auch nicht, sie zieht, angeregt durch die eigene Biografie und die ihrer Eltern, Parallelen zum Iran und zur Revolution. In der Tat muss man die Parallelen eigentlich nicht erst ziehen, sie sind da, unweigerlich. Staatsräson, Gleichberechtigung, Befreiung der Frau, Flucht, Unterdrückung und das Thema Bildung als Schlüssel zur Gesellschaft im Gepäck, ganz leichtfüßig und nebenbei.

 

So wie Elif Shafak in ihren Büchern viel orientalische Mystik und arabische Kultur einfließen lässt, so tut es Abadi bei "Cherchez la femme" auch. Nicht zuletzt hält der angeblich so koranfeste Bruder Dichter-Verse für Verse aus dem heiligen Buch und wird so quasi heimlich wieder westlich "infiltriert".

Es zeigt aber - und das ist generell das schöne Fazit an diesem Film und deswegen hohe cineastische Kunst - , dass Religion ohne Kulturgeschichte nicht auskommt, dass sie aber im Fundamentalismus ausgeblendet wird. Das gilt nicht nur für den Islam, das ist universell für alle Glaubensrichtungen so.

 

"Cherchez la femme" bringt zurück, was Religion eigentlich ausmacht: eine Idee von Gemeinschaft bzw. nicht nur eine Idee, sondern einfach eine gute Gemeinschaft, ein liebender Gott, der einen zwar dennoch führen kann, aber in dem Sinne, dass er einem genug Selbstvertrauen gibt, den eigenen Weg auf Erden zu gehen. Zu schaffen und zu kreieren und zu sein, sich zu entfalten und nicht im Namen der Religion zu zerstören. Man muss nicht bibelfest sein, um ein guter Christ zu sein.

Und wir reden viel zu wenig darüber, was ein guter Christ ist, was unseren Glauben ausmacht, was uns wichtig ist am eigenen Glauben. Aber vor allem wir im Westen meinen zu wissen, was für andere Islam und Islamismus ist und beurteilen sie danach. Für viele ist Islam ja gar identisch mit Islamismus. Aber an was glauben diese Menschen? Fragt man sie danach, so können sie das nicht beantworten. Gefühle, Kultur, Menschsein werden nicht damit verknüpft, dabei ist Gottes Lehre vielfältig und wahnsinnig individuell.

Und auch im Kleinen ist diese Art von Glauben gefährdet. Etwa wenn eine rechtspopulistische Partei wie die AfD durch den evangelikalen Rand sagt, wie man glauben und was man glauben soll. Auch hier werden auf diese Art politische Themen gelenkt. Und jetzt sitzt die AfD sogar im Bundestag. "Cherchez la femme" sollte Pflicht werden in jedem Religions- oder Sozialkunde-Unterricht.